Seit 2011 ist die Wehrpflicht ausgesetzt – doch die Debatte ist zurück. Sicherheit für alle oder Eingriff in die Freiheit des Einzelnen? Gemeinschaftssinn, persönliche Entwicklung, aber auch Zwang und verlorene Chancen: Die Argumente sind vielfältig.
Teilt Eure Erfahrungen und Gedanken nach einem ersten Input von Moderatorinnenseite!
Zum Thema „Wie steht ihr zur Wehrpflicht – zurück zur Pflicht oder lieber bei der Freiheit bleiben?“ haben sich bislang nur Wenige geäußert. – Auf den Aufschlag der geschätzten Kollegin bke – Claudia folgte bislang ein Userinnen – Beitrag von mackie (Was ist mit Wehrpflicht für Frauen?), dann eine Reaktion der Kollegin, dann zwei Einträge von Kollegen, die – wie nun ich, weil wir älter sind als die UserInnen (und dazu noch Männer) – auf frühere „Musterungsbescheide“ und ihnen folgende Entscheidungen zurückblicken. Und dann aufs „Jetzt“ schauen.
Bei mir ergab die damalige Musterung ein: „T5“ = wehruntauglich.
Das Ergebnis einer Untauglichkeit damals war, dass weder Wehrpflicht noch Zivildienst verlangt wurden – das bleibt für mich bis heute merkwürdig. Und damit genug „Autobiographie“.
Wir Älteren werden voraussichtlich selbst in unserem Leben nicht mehr zu einer Wehrpflicht gerufen. Da ist eine Positionierung vielleicht einfacher? – Ja, und doch nicht leicht, das merken auch meine Kollegen in ihren Beiträgen an. Wir stehen freilich nicht unter akutem Zugzwang, so wie ab dem kommenden Jahr die Volljährigen.
Dennoch, wenn man Kinder hat oder man sich (wie ich öfter mal) fragt „What would Jesus do?“, dann grummelt der Bauch und das Gewissen, denn:
Ich plädiere für eine Allgemeine Wehr- oder Zivildienst -Pflicht; Wehrdienst am besten in der Art einer „Defensive(n) Verteidigung“, wie sie etwa ihrem Vordenker Horst Ahfeldt vorschwebte. – Eine allgemeine Dienstpflicht (für Alle) würde das Verteidigen und das Sich – Einbringen in die Gesellschaft auf Zeit zur gemeinsamen Aufgabe Aller machen – und dann müssten sich die Wehr - Freiwilligen (die gibt es ja auch) nicht zu sehr als Ausnahmeerscheinungen, die etwa exklusiv für Alle kämpfen müssten, begreifen. –
Die Aussetzung der für (junge Männer) allgemeinen Wehr- und Zivildienstpflicht im Jahr 2011 unter einer früheren Regierung war – rückblickend ist man leicht zu schlau – politisch wohl nicht klug.
Offenbar und schrecklicherweise kriegen es die Gesellschaften und Zivilisationen, ohne militärische Stärke aufbieten zu können, bis heute nicht hin, sich einigermaßen friedlich zu entwickeln. (Es gibt wenige Staaten – wirklich Sonderfälle -, die gar kein Militär unterhalten - man findet schnell, mithilfe der KI: Costa Rica, Mauritius, Island, Panama, Andorra, ein paar kleine Inselstaaten…).
Sich „entwickeln“ hieß und heißt dabei furchtbar oft noch etwas anderes, als „friedlich“: es heißt, die eigene Macht auszudehnen, in der Regel durch Eroberung oder Besetzung oder Beanspruchung von Land und Ressourcen, bei gleichzeitiger Bedrohung, Unterdrückung oder Vernichtung von Gegnern, die zu Feinden erklärt werden. Oft geschieht das auch angesichts schwieriger innenpolitischer Machtverhältnisse: Man braucht Feinde, um nach innen für Ruhe zu sorgen.– Das ist die unbegreiflich perverse „Logik der Macht“. .– Noch kein Pazifismus – auf zwischenstaatlicher Ebene! - hat da einen Ausweg gefunden. – Jesus von Nazareth übrigens stelle ich mir als einen radikalen Pazifisten vor, der bereit war, alle Konsequenzen, die das für ihn bedeutete, auf sich zu nehmen. Er traute seinen engen Weggefährten Ähnliches zu.
Wenn man zwischen einer „Wehrpflicht“ und dem „Kriegsdienst“ unterscheidet, ist die „Wehrpflicht für Alle“ (die nicht einfach ein „Kriegsdienst“ ist) vermutlich ein wichtiges Element der Abschreckung – und „Abschreckung“ wiederum gilt gemeinhin als ein wichtiger Pfeiler der Einhegung militärischer Eroberungsgelüste. – Ein Pfarrer sagte es im DLF (Morgenandacht vom 7.11. 2025 um 6:35h) vor kurzem so:
„Abschreckung ist die beste Verteidigung, heißt es. Dem stimme ich zu, solange Abschreckung nicht die einzige Strategie ist. Es braucht zusätzlich alle anderen Möglichkeiten, um Frieden zu schaffen, wo aktuell Krieg herrscht, sowie Krieg zu verhindern und den Frieden zu schützen.“
Die persönliche Gewissens - Frage, ob ich im Ernstfall (oder für einen Ernstfall zum Üben) zur Waffe greifen würde oder könnte, ist damit, dass ich eine Allgemeine Wehr- und Dienstpflicht befürworte, noch längst nicht beantwortet.
Wehrpflicht und Kriegsdienst sind nicht einfach dasselbe. Man kann das eine befürworten und das andere verweigern.
Ich wüsste nicht, wer das außerhalb einer akuten und konkreten Situation beantworten könnte. – (Ein „cineastischer“ Hinweis: Desmond Doss àFilm zur Person: “Hacksaw Ridge“ , Regie Mel Gibson).
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Dieser Beitrag von mir (auch wenn inzwischen andere Themenwochen dran sind) ist an Diskussion interessiert, rechnet mit Widerspruch, ist (abgesehen von den „Staaten ohne Militär“, nach denen ich gesucht habe) ohne KI geschrieben – er würde sich gern von einer besseren Sicht der Dinge korrigieren lassen. –
bke - Christian
Liebes Forum,
beim Lesen der -leider wenigen- Beiträge zum Thema neue Wehrpflicht habe ich gemerkt, wie schwer es mir fällt, eine Haltung bei mir selbst zu formulieren. Erspürt habe ich sie dagegen schnell. Im Großen und Ganzen möchte ich mich meinem Vorschreiber bke-Stephan anschließen. Auch ich habe mich damals nach der Schule für den Zivildienst entschieden. Genaugenommen musste ich mich nicht wirklich entscheiden, es war einfach klar, dass ich nicht "zum Bund" gehe, wie man damals gesagt hat. So war ich einfach sozialisiert. Wäre für mich nie in Frage gekommen, obwohl von meinem Freundeskreis bestimmt die Hälfte Wehrdienst geleistet hat. Wenn ich damals als untauglich befunden worden wäre, hätte ich nichts dagegen gehabt😇, gleichzeitig geht es mir im Rückblick wie bke-Stephan: Diese Zeit war absolut lehrreich für mich, ich habe zum ersten Mal regelmäßig etwas Geld verdient und lernte damit umzugehen, wirklich Verantwortung zu übernehmen. Damit möchte ich nicht sagen, dass ich ähnliche Erfahrungen bei der Bundeswehr nicht gemacht hätte, schließlich war ich da ja nicht.
Ganz persönlich tue ich mir bis heute schwer damit, Wehrpflicht, Aufrüstung und sogenannte Kriegsfähigkeit als Grundlage für Frieden zu akzeptieren. Das ist für mich ein grundlegender Widerspruch mit dem ich mich auch nicht anfreunden will. Zudem ist es für mich unbegreiflich -und das wird ja aktuell in Zahlen (Euro) immer wieder deutlich kundgetan- wie Menschen, vertreten durch beauftragte Regierungen, solche unglaublich großen Mengen an Geld und Ressourcen in Rüstung stecken bzw. weiter stecken wollen. Und das bei so vielen notleidenden Menschen auf der Welt und anderen Herausforderungen wie dem Klimawandel, wofür soviel Geld gebraucht würde. Ein Irrsinn! Das halte ich -um ganz ehrlich zu sein- im Kopf nicht aus.
Ich denke, neben den Realitätsdenkern, für die Aufrüstung und Wehrpflicht unabdingbar sind, muss, sollte oder zumindest darf es immer auch Menschen geben, die diese Prozesse in Frage stellen oder auch grundsätzlich ablehnen. Und sie sollen das auch tun dürfen, ohne vermeintlich plausible Alternativen nennen zu können. Die Welt wird sich aller Wahrscheinlichkeit mit und ohne Aufrüstung weiterdrehen. Und: Ich nehme in Kauf, dafür als naiv dargestellt zu werden. Damit kann ich leben.
Zur eigentlichen Frage kann ich für meinen Teil nur sagen, eine Wehrpflicht lehne ich ab, einen verpflichtenden Dienst für die Gesellschaft, bei dem jungen Menschen frei wählen können, in welcher Form sie etwas Gutes tun, befürworte ich.
Würde mich freuen, wenn's hier noch etwas Austausch geben würde zu diesem aktuellen und brisanten "Riesenthema".
Viele Grüße schickt euch
bke-Lorenz
Hallo liebes Forum,
ich gehöre ja zu der Generation, wo es noch die Wehrpflicht gab. Allerdings habe ich Zivildienst gemacht. Darauf hatte ich so gar keine Lust, im Nachhinein finde ich aber, dass das für meine Entwicklung richtig gut war und ich eine wertvolle Zeit mit vielen interessanten Menschen verbringen durfte.
Wie geht es Euch denn damit? Muss unser Land mit Waffengewalt verteidigt werden und wenn ja, von wem? Sind Pazifisten eher naiv? Ich frage tatsächlich ganz offen nach, weil es mir sehr schwer fällt, bei diesem wichtigen Thema eine klare Haltung zu bewahren. Wie geht es Euch damit?
Viele Grüße schickt
bke-Stephan
Hallo Mackie,
auch das ist ein Thema, worüber hier diskutiert werden kann.
Es stimmt, momentan ist das so. Aber freiwillig sind ja schon viele Frauen dabei.
bke-Claudia
Hallo Claudia,
ich habe eine Nachfrage zum Verständnis, weil du immer von jungen Menschen schreibst. Wenn es stimmt was ich weiß, wären von einer Wehrpflicht aber nur Männer betroffen, weil das Grundgesetz das so vorschreibt?
Ich finde das ungerecht.
Mit freundlichen Grüßen
mackie
Hallo liebe User*innen,
ich denke, dass das folgende Thema viele von euch bewegt und ihr euch dazu gern austauschen wollt.
Ich bin sehr gespannt.
Wehrpflicht: Pflicht zur Waffe oder Freiheit zum Nein?“
Seit 2011 ist die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt – doch die Debatte darüber flammt immer wieder auf. Besonders in Zeiten wachsender internationaler Spannungen fragen sich viele: Brauchen wir sie zurück?
Eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt: 60 Prozent der Befragten wären „gar nicht“ oder „wahrscheinlich nicht“ bereit, im Falle eines militärischen Angriffs selbst zur Waffe zu greifen. Gerade junge Menschen verbinden ihre Zukunft eher mit Ausbildung, Studium, Reisen oder Freiwilligendiensten als mit dem Dienst an der Waffe. Mehr als die Hälfte der 18- bis 34-Jährigen lehnt eine Rückkehr zur Wehrpflicht ab. Gleichzeitig sagen viele: Ein Land muss sich verteidigen können, die Bundeswehr sei ein Dienst an der Gesellschaft – doch die Angst vor gefährlichen Einsätzen bleibt groß.
Argumente für die Wehrpflicht:
Befürworter sehen in ihr eine Stärkung der nationalen Sicherheit. Eine breite militärische Grundausbildung könne die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands sichern und die Armee stärken. Außerdem soll sie den Gemeinschaftssinn fördern: Menschen unterschiedlicher Herkunft lernen, zusammenzuarbeiten, Verantwortung zu übernehmen und Kameradschaft zu erleben. Nicht zuletzt wird betont, dass die Wehrpflicht auch die persönliche Entwicklung unterstützt – Disziplin, Ausdauer und Führungsqualitäten gelten als wertvolle Erfahrungen fürs Leben.
Argumente gegen die Wehrpflicht:
Kritiker betonen vor allem den Eingriff in die persönliche Freiheit. Junge Menschen würden gezwungen, Zeit und Energie in eine Aufgabe zu investieren, die vielleicht nicht ihren Überzeugungen entspricht. Hinzu kommt, dass moderne Konflikte oft technisches Spezialwissen erfordern, das eher durch eine Berufsarmee mit hochqualifizierten Soldat*innen gewährleistet werden kann. Auch wirtschaftliche und soziale Nachteile spielen eine Rolle: Wer zum Wehrdienst verpflichtet wird, verliert Zeit für Studium, Karriere oder persönliche Entwicklung, und Unternehmen klagen über den Ausfall junger Fachkräfte.
Alternativen:
Neben dem freiwilligen Wehrdienst werden häufig der Zivildienst oder andere soziale Dienste genannt. Diese bieten jungen Menschen die Möglichkeit, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, ohne militärische Verpflichtungen einzugehen – etwa durch humanitäre Arbeit, Pflege oder soziale Projekte.
Die Diskussion ist also vielschichtig: nationale Sicherheit versus individuelle Freiheit, militärische Pflicht versus ziviler Dienst. Klar ist nur: Die Frage nach der Wehrpflicht berührt nicht nur Politik und Militär, sondern das Selbstverständnis unserer Gesellschaft.
Und jetzt seid ihr dran: Wie steht ihr zur Wehrpflicht – zurück zur Pflicht oder lieber bei der Freiheit bleiben?